Distrikt Nordrhein-Westfalen

der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland

Thema: Tempel der Humanität 

Der Tempel der Humanität ist das zentrale Symbol für die masonische Arbeit. In der Übungsstätte Freimaurer Tempel wird für die Brüder ein Raum geschaffen, sich von der täglichen Reizüberflutung des profanen Umfeldes, alltäglichen Dualitäten und Impulsen zu absentieren, zu distanzieren.
Der Öffentlichkeit wird die Umsetzung unserer Ziele in der Arbeit an uns selbst, unter der Orientierung an den Idealen der Humanität : Toleranz, Brüderlichkeit, Freiheit und Gleichheit präsentiert. Wir streben nach sittlicher Vollkommenheit unseres Selbst. Der Tempel ist dabei Symbol und erlebter Ort freimaurerischer Praxis. Er ist Übungsstätte zwischenmenschlicher Beziehungen, des toleranten Umgangs miteinander zur ethischen Entwicklung und geistigen Entfaltung jedes einzelnen Bruder Freimaurers.
Es bedarf gerade zu Beginn der Zugehörigkeit zum Freimaurer Bund: innerer Disziplin, Übung und Aufmerksamkeit, sich an die historischen Entlehnungen religiöser Symbolik und die dabei nicht immer scharfe Trennung der Säkularität des Freimaurer-Rituals gegenüber der Religiosität früherer Zeiten zu gewöhnen und dies alles in rechter Weise einzuordnen. Es ist kein Hinnehmen, sondern ein sich aus einer kritischen Distanz mit der Form und den Inhalten und den daraus ableitbaren Bedeutungen Auseinandersetzen. Wichtig ist, dass neben der beharrlichen Art und Weise der Wiederholungen im Ablauf des Rituals für die Zeit der Arbeit, Grenzen gesetzt werden. Zeit haben und Grenzen setzen sind notwendige Voraussetzungen für den Zugang zu eigenen, inneren Wert-Vorstellungen und Bedürfnissen. Es entsteht ein kognitiver und emotionaler Frei-Raum, der es ermöglicht, den Moment bewusstseinsverändernd wahrzunehmen.
Die Suche nach einem Geheimnis der oder in der Freimaurerei hat häufig einen breiten Raum eingenommen. In seiner Philosophie der Maurerei (Briefe an Konstant) referiert der Philosoph und Freimaurer der Aufklärung Johann Gottlieb Fichte zum Geheimnisvollen in der Freimaurerei: ,, Das größte Geheimnis der Freimaurer ist, dass sie keins haben; und dennoch das offensichtlichste, geheimste Geheimnis der Freimaurer ist, dass sie sind und fortdauern."
Ein Schlüssel zu diesem nicht vorhandenen Geheimnis liegt darin, anzuerkennen, dass die Freimaurerei keinen spezifischen, eigenen Inhalt hat, keine Fiktion (Vorgestelltes, Erdachtes) ist und keine Erzählung (Narrativ). Im Moment der brüderlichen Zusammenkunft im Tempel-Raum, unbeirrt vom Lärm der Welt im gemeinsamen Erleben der Brüderlichkeit, geschieht das Geheimnis.
Befördert und verstärkt wird dieser Vorgang durch den Zustand einer wechselnd intensiven Kontemplation der Teilnehmer. Das Ergebnis wird unter den Regeln der Achtsamkeit wahrgenommen. Ein Prozess durch den wir eine Akzeptanz der Fehlbarkeit unseres Selbst im Erleben finden können und uns so einen Zugang zur Verbesserung der eigenen Fähigkeiten in den Bereichen der Toleranz und der Menschenliebe eröffnen. Für Skeptiker sei angemerkt, dass es sich dabei nicht um für ihn dubiose, esoterische Mechanismen handelt, sondern um eine wissenschaftlich fundierte Methodik: die der Meditation.
In unserem Alltag kreisen die Gedanken nicht in erster Linie um das Hier und Jetzt sondern eher um das Gestern und Morgen. Wir suchen Gründe und Lösungen für Fragen unseres Daseins eher im Vergangenen und setzen unsere Hoffnungen auf Zukünftiges. Die aktuelle Wirklichkeit, ein Zustand, der der absoluten Wahrheit am nächsten ist, wird von uns bisher eher selten betrachtet, geschweige denn bearbeitet. So verlieren wir uns häufig in den Antworten auf Lebensfragen eher in der Historie oder in Zukunftsvisionen, als in der Gegenwart. Der Freimaurer kann im Zustand einer verinnerlichten Achtsamkeit seiner meditativen Gefühlswelt in einer bewußt erlebten Tempelarbeit, einen Beitrag zu praktischen Lösungen der Probleme des Gegenwärtigen leisten.
Bedurfte es deshalb ausgerechnet der seit 1717 sich formierenden Bewegung Freimaurerei? Nein! jede andere Zeitströmung mit einem weltanschaulichen Hintergrund und einem zeitlosen Wertekanon hätte ähnliches leisten können. Ein Alleinstellungsmerkmal können die Freimaurer nicht für sich in Anspruch nehmen. Aber da wir nun schon einmal existieren, unterliegt die Freimaurerei als Geisteshaltung in unserer Zeit einem Wettbewerb mit vielen anderen Werte- Bewegungen und der fortwährenden Pflicht, sich immer wieder erneut auf ihre Wirksamkeit im Hier und Jetzt hinterfragen und prüfen zu lassen. Der Rückbezug auf alles traditionell Formale ist vordergründiges Beiwerk. Die Fassade darf, ja sollte, jederzeit besonders kritisch betrachtet und bewertet, gegebenenfalls korrigiert werden.
Während der Tempelarbeiten nehmen die Brüder des 21. Jahrhunderts oft eine abwartende, auf Konsum ausgerichtete Haltung ein. Freimaurerei ist aber Arbeit, geschieht durch Arbeit. Während der Tempelarbeit ist eine aktive Aufmerksamkeit auf uns und in uns selbst gefordert. Das Gemeinschaftserlebnis dient dabei als Verstärkung. Nur wenn wir beharrlich immer wieder nach diesem Zustand streben, haben wir uns dem Ritual folgend wirklich bemüht.
Das uns durch die dauernde Wiederholung vertraute Ritual gibt Antworten auf die Fragen, woraus der Bau besteht und was ihn zusammenhält. Mit dem Ende der Werklehre des Rituals ist der Bauplan unseres Lebens grob umrissen. Sicht- und faßbar liegt er vor uns in Form des Arbeitsteppichs. Im Bemühen, den Bau des Tempels voran zu bringen, eröffnet sich uns ein exo- beziehungsweise esoterischer Zugang.
Ersterer hat als ersehntes Ergebnis das symbolische Ideal einer besseren Welt. Das Ziel ist mit vielen gesellschaftlichen Strömungen, Gemeinschaften gleich: ein auf einen Wertekanon bezogenes Ideal, als Sinn stiftender Hintergrund, Garant für eine bessere Welt. Idealisiertes Ergebnis wäre eine "Ära aurea ", ein goldenes Zeitalter, ein wiedergefundenes Atlantis, ein Paradies, in dem unsere Gegenwart eine bessere wäre.
Wie trügerisch diese Visionen sein können, wie umfassend sie missbraucht wurden und werden, lehrt uns nicht nur die Geschichte, sondern auch unsere persönliche Lebenserfahrung. 
Es bleibt, ein sich mit der Aura des Geheimnisvollen umgebende Weg der Esoterik. Das dabei zu hütende Geheimnis unterliegt keiner strengen Arkandisziplin, ist dennoch viel diskreter, sensibler, individueller und vor allem verletzlicher. 
Es betrifft unser Selbst und besteht in der Diskretion der sich hinterfragenden Selbstbezogenheit. Sich besser kennen lernen, Möglichkeiten finden, selbstoptimierend an sich zu arbeiten, sind der Schlüssel zu diesen notwendigerweise geschützten Bereichen. Einen solchen Ansatz zu wählen, ist der Königsweg der Freimaurerei und macht sie dauerhaft wirksam und zeitlos notwendig.
Bei diesem Unterfangen müssen wir uns bewusst sein, Vervollkommnung des Menschen in moralischer Hinsicht bleibt immer ein unvollendeter Bau.
Der Begriff einer reflexiven Aufklärung, der durch den Freimaurer und Philosophen Alfred Schmidt im letzten Jahrhundert eingeführt wurde, beschreibt genau diesen Sachverhalt.
Reflexive Aufklärung gab es in Ansätzen bereits bei Jean Jacques Rousseau. (1712-1778) Er setzt sich in seinen "Diskursen" mit der Frage, ob der wissenschaftliche und künstlerische Fortschritt automatisch mit einer moralischen Besserung der Menschen einhergeht, auseinander.
Zitat Alfred Schmidt: "Menschengeschichte ist nicht der lineare Gang vom Mythos zum Logos, dessen Entwicklungsgesetz zur Vorhersage der Zukunft angewandt werden könnte ".
Durch das Gesagte wird auch ein grundsätzlicher Unterschied zur Gedankenwelt Kants und seiner Sittenlehre deutlich, der nicht nur historisch, sondern auch inhaltlich kein Freimaurer war und sein konnte.
Geschichte wird weniger durch die von Kant als absolut gesetzte Vernunft beherrscht, eher von Leidenschaften, Lebensgier und Machthunger. Es sind Menschen aus Fleisch und Blut, die von sinnlichen Trieben und Begierden angespornt werden und so die Grundlage einer durchaus wissenschaftlichen Anthropologie schaffen. Der menschliche Geist ist nicht autonom, er wird von den Spannungsbögen des Unbewussten mit dem Überich beherrscht. Das Ich ist im Weiteren damit beschäftigt, die Herkunft seiner Substanz zu leugnen. Beim Studium von Geist und Bewusstsein erfahren wir nicht alles über den Menschen.
Freimaurerei nimmt die ganze Person zunächst einfach hin und stellt dann der wissenschaftlichen Vorhergehensweise eine tätige Praxis an die Seite. Der Maurer wird sich seines Menschseins gewahr, indem er besonnen handelt und sich auf sein Handeln besinnt. (unbeirrt vom Lärm der Welt geht der Maurer seinen Weg)
Lärm steht dabei für Verleumdungen, Anfeindungen, Verschwörungsvorwürfe, denen die Freimaurerei seit dem ersten Bannfluch der katholischen Kirche vom April 1738 häufig ausgesetzt war. In der Bulle "In eminenti apostulatus specula“ des Papstes Clemens XIl. wird die Verbindung von Menschen aller Religionen und Glaubensgemeinschaften angeprangert. Eine solche Form der Zusammenführung wird auch heute noch als ketzerisch angesehen. Zitat "Das innige Lebensbündnis, das in der Verschwiegenheit der Logengemeinschaft geschlossen werde, habe nur unmoralische, gegen Gott gerichtete Zwecke. Das Gutmenschentum des einzelnen Freimaurerbruders müsse falscher Schein und Heuchelei sein". Die Berechtigung so ein Urteil zu fällen, liest sich in der ersten Passage der Bulle: Zitat "Von der göttlichen Vorsehung trotz unserer Unwürdigkeit an die höchste Stelle des Apostolates berufen, getreu dem uns anvertrauten Hirtenamt, haben wir, soweit es uns durch göttliche Gnade möglich war, mit aller Sorgfalt darüber gewacht, Fehler und Laster auszuschließen, die Reinheit der rechtgläubigen Religion zu wahren und in diesen so schwierigen Zeiten, die Gefahr der Verwirrung aus der katholischen Welt zu verbannen". Ende des Zitats!
Es wird deutlich, was die Kirchenoberen damals und auch heute noch an der Freimaurerei fürchten und kritisieren, obwohl ihr Gott sei Dank (ein wunderbares Wortspiel!) aktuell die Macht fehlt, uns entsprechend zu sanktionieren. Wenden wir uns von den religiösen Autoritäten den staatlichen dieser damaligen Zeit zu, erfahren wir ebenfalls Distanz und Ablehnung.
In den Augen Metternichs, des Architekten der Restauration, musste der Staat ein Feind der Freimaurerei sein, weil sie sowohl den Sklaven als auch den Tyrannen ausmerzen will und dafür den Sinn für ein zwischenmenschliches Miteinander entwickelt. Wie das funktioniert fürchten totalitäre Systeme am stärksten. Es ist die intellektuelle, aber vor allem praktisch wahrgenommene tägliche Logenwirklichkeit eines Freimaurers, die ihn zunehmend untauglich für den Missbrauch, inhumane Ziele anzustreben macht.
Es ist dabei nicht unfreimaurerrisch, beziehungsweise indiskret, in aller Öffentlichkeit zu verkünden, dass Freimaurerei gegen übersteigerten Nationalismus, gegen Rassismus und gegen die Vermischung religiöser Ziele mit der Tagespolitik sei. Solche Bekenntnisse des Einzelnen aber auch der Gemeinschaft sollten nicht ausgeschlossen werden und mögen zu allen Zeiten wirken.
Gefährlicher ist es, die vorhandenen Missstände nicht ausdrücklich beim Namen zu nennen. Political correctness ist keine masonische Tugend. Die beschriebene freimaurerische Praxis hat immer eine starke Bindung an das emotionale Erleben des einzelnen Bruders. Ein durch Handeln und subjektive Betroffenheit fundiertes Lebensgefühl zeigt stärkere Wirkung als Belehrung durch Worte und Theorien. So gelingt es der Freimaurerei militante Tendenzen jedweder Couleur zum Ersticken zu bringen.
Allerdings ist die freimaurerische Realität auch nicht frei geblieben von Extremen. Doch die Vorbehalte, ja auch die Furcht derjenigen vor den Ideen der Freimaurerei, die Intoleranz und Rassismus öffentlich unterstützen, teilt uns mehr über die Ziele des Bundes mit, als die Geisteshaltung der Freimaurerbrüder, die das humanitäre Ziel verfehlt haben.
Die gemeinsame Arbeit am großen Bau sollte nicht dazu führen, die subjektiv empfundenen und gedeuteten Inhalte als verbindlich anzusehen. Die erforderliche Enthaltung führt zu einem sensiblen Toleranzempfinden. Toleranz bedeutet dabei auch Marginalisierung von Absolutheitsansprüchen. 
Freimaurerei wirkt interkulturell durch ihren Anspruch auf Gleichheit aller Menschen, durch Relativierung aller religiösen, ständischen, nationalen Unterschiede. Zentrale Forderung an den Bruder, jeden Menschen ist: auf den Dünkel zu verzichten, aufgrund religiöser Zugehörigkeit, Geburt, Nationalität, Besitz oder Hautfarbe im Besitz der Wahrheit zu sein.                                                                                                

Dr.med. Axel Schönhals
Arzt für Allgemeinmedizin-Psychotherapie 

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